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29 July 2025

Swiss Arbitration Centre erlässt neue Schiedsordnung für Trust-, Nachlass- und Stiftungsstreitigkeiten

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Schellenberg Wittmer Ltd

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Wie in unserem Newsflash vom 27. Mai 2025 berichtet, hat das Swiss Arbitration Centre kürzlich eine neue ergänzende Schiedsordnung für Trust-, Nachlass- und Stiftungsstreitigkeiten...
Switzerland Litigation, Mediation & Arbitration

Key Take-aways

1.

Am 1. Juli 2025 sind die neuen ergänzenden Swiss Rules für Trust-, Nachlass- und Stiftungsstreitigkeiten (TEF Rules) des Swiss Arbitration Centre in Kraft getreten.

2.

Die TEF Rules bieten ein praxisorientiertes Rahmenwerk für die Beilegung privater Vermögensstreitigkeiten durch Schiedsverfahren, das auf die Besonderheiten von Tust-, Nachlass- und Stiftungsangelegenheiten zugeschnitten ist.

3.

Die TEF Rules werden von MusterSchiedsklauseln begleitet, die speziell für die Verwendung in Testamenten, Erbverträgen, Trusturkunden und Stiftungsurkunden zugeschnitten sind.

Wie in unserem Newsflash vom 27. Mai 2025 berichtet, hat das Swiss Arbitration Centre kürzlich eine neue ergänzende Schiedsordnung für Trust-, Nachlass- und Stiftungsstreitigkeiten (sogenannte TEF Rules) erlassen. Diese Schiedsordnung ist am 1. Juli 2025 in Kraft getreten.

In diesem Newsletter erörtern wir die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Privatvermögen und legen die wichtigsten Elemente der TEF Rules näher dar.

Der Aufschwung der Schiedsgerichtsbarkeit bei Streitigkeiten über Privatvermögen

Die Schiedsgerichtsbarkeit ist eine private Form der Streitbeilegung, bei der sich die Parteien darauf einigen, ihre Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, dessen Entscheidung gemäss dem Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Übereinkommen) bindend und international vollstreckbar ist. Während die Schiedsgerichtsbarkeit traditionell die bevorzugte Methode zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten ist, gewinnt die Schiedsgerichtsbarkeit auch bei privaten Vermögensangelegenheiten an Bedeutung, vor allem wenn es um Trusts, Nachlässe und Stiftungen geht.

Diese Entwicklung ist auf zunehmend internationale Familienstrukturen, grenzüberschreitende Nachlassplanung und den Wunsch nach vertraulichen, flexiblen und zügigen Verfahren zurückzuführen. Parteien, die in Streitigkeiten im Zusammenhang mit Privatvermögen, häufig in sehr sensiblen Sachverhalten mit erheblichem Vermögenswert und gegenläufigen Interessen, involviert sind, wenden sich der Schiedsgerichtsbarkeit zu, um ihre Streitigkeiten ausserhalb öffentlicher Gerichtssäle beizulegen.

Die Ausweitung der Schiedsgerichtsbarkeit auf Trust-, Nachlass- und Stiftungsangelegenheiten ist bemerkenswert. Schiedsvereinbarungen sind von Natur aus konsensual; sie erfordern die gegenseitige Zustimmung von zwei oder mehr Parteien. Viele Trust- und Nachlassstrukturen beruhen jedoch auf einseitigen Rechtsinstrumenten wie Testamenten, Trusterklärungen oder Stiftungsurkunden. Dies wirft die grundlegende Frage auf: Kann eine einseitig von einem Erblasser oder Stifter eingefügte Klausel Erben oder Begünstigte binden, die einer Schiedsvereinbarung nie ausdrücklich zugestimmt haben?

Die Schiedsgerichtsbarkeit gewinnt in Private Wealth Angelegenheiten zunehmend an Bedeutung.

Das Schweizer Recht bietet eine progressive Antwort. Seit dem 1. Januar 2021 bestätigen Änderungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO) und des Schweizerischen Gesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) ausdrücklich, dass Schiedsklauseln in einseitigen Rechtsinstrumenten wie Testamenten, Trusturkunden und Stiftungsurkunden (Einseitige Schiedsklauseln) nach Schweizer Recht gültig sind, sofern der Sitz des Schiedsgerichts in der Schweiz ist.

Der genaue Umfang Einseitiger Schiedsklauseln kann Anlass zu Kontroversen geben. Sind gesetzliche Erben, die nach schweizerischem Erbrecht pflichtteilsberechtigt sind, aber vom Erblasser testamentarisch enterbt wurden, dennoch an eine im Testament enthaltene Schiedsklausel gebunden, wenn sie ein Ver fahren zur Geltendmachung ihrer gesetzlichen Ansprüche einleiten wollen? Die Schweizer Gerichte haben sich zu dieser Frage noch nicht geäussert und einige Autoren bezweifeln, dass eine Schiedsklausel in einem solchen Fall verbindlich wäre.

Spezifische Schiedsgerichtsordnung für Streitigkeiten über Privatvermögen: Die TEF Rules

Schiedsvereinbarungen bestimmen oft eine Verfahrensordnung, die das Schiedsverfahren regelt. Diese Verfahrensordnungen werden üblicherweise von Schiedsinstitutionen erlassen, die auch die unter ihren Regeln durchgeführten Schiedsverfahren verwalten. In der Schweiz ist das Swiss Arbitration Centre die führende Schiedsinstitution. Die Verfahrensregeln des Swiss Arbitration Centre sind die Swiss Rules of International Arbitration (Swiss Rules).

Die TEF Rules bieten einen eigenen Rahmen für Schiedsverfahren im Zusammenhang mit Privatvermögen.

Angesichts der zunehmenden Beliebtheit von Schiedsverfahren im Bereich von privaten Vermögensangelegenheiten hat das Swiss Arbitration Centre ein spezielles Regelwerk entwickelt, um den besonderen prozessualen und rechtlichen Herausforderungen in diesem Bereich gerecht zu werden.

Die TEF Rules sind ein kurzes Regelwerk, das in Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch verfügbar ist. Sie enthalten Muster-Schiedsklauseln, die von Erblassern, Stiftern und Treugebern verwendet werden können, und werden von einer mehrsprachigen erläuternden Anmerkung begleitet.

Anwendungsbereich der TEF Rules

Die TEF Rules decken grundsätzlich drei Szenarien ab.

Erstens sind die TEF Rules anwendbar, wenn eine Einseitige Schiedsklausel ein Schiedsverfahren nach den Swiss Rules vorsieht. In solchen Fällen gelten die TEF Rules automatisch, auch wenn die Schiedsklausel nicht ausdrücklich auf sie verweist.

Ist die Schiedsklausel Teil einer vertraglichen Vereinbarung, wie z.B. eines Erbvertrags, gelten die TEF Rules nicht automatisch, auch wenn die Streitigkeit Trusts, Nachlässe oder Stiftungen betrifft. Die Parteien, das Schiedsgericht und das Swiss Arbitration Centre müssen beurteilen, ob die Klausel als Einseitige Schiedsklausel zu qualifizieren ist. Gemäss der erläuternden Anmerkung des Swiss Arbitration Centres kann es im Zweifelsfall ratsam sein, davon auszugehen, dass es sich um eine Einseitige Schiedsklausel handelt und somit die TEF Rules zur Anwendung gelangen.

Zweitens sind die TEF Rules anwendbar, wenn in einer Schiedsvereinbarung ausdrücklich auf sie oder ihre Vorgängerregeln, die Einführungsbestimmungen des Schweizerischen Vereins Schiedsgerichtsbarkeit in Erbsachen, verwiesen wird.

Drittens sind die TEF Rules anwendbar, wenn die Parteien ausdrücklich vereinbaren, sich ihnen zu unterwerfen, unabhängig davon, ob bereits eine Schiedsvereinbarung besteht oder ob deren Bestimmungen andernfalls die Anwendung der TEF Rules auslösen würden.

Die TEF Rules ergänzen die Swiss Rules. Das bedeutet, dass in Fällen, in denen die TEF Rules keine Regelung enthalten, automatisch die entsprechenden Bestimmungen der Swiss Rules gelten.

Information, Benachrichtigung und Vertretung von Berechtigten Personen

Streitigkeiten im Zusammenhang mit Trusts, Nachlässen oder Stiftungen betreffen oft eine Reihe von Personen, die (zumindest anfänglich) nicht zu den Streitparteien gehören, wie Erben, Begünstigte, Vermächtnisnehmer oder sogar zugrundeliegende Gesellschaften (z.B. Familienunternehmen). Um ihre Interessen zu wahren, schreiben viele Rechtsordnungen die verpflichtende Einbeziehung bestimmter betroffener Parteien in erbrechtlichen Verfahren vor.

Nach den TEF Rules müssen alle juristischen oder natürlichen Personen, ob geborenen oder ungeborenen, deren Rechte oder Ansprüche von der Streitigkeit betroffen sein könnten (Berechtigte Personen), über das Schiedsverfahren informiert werden und Gelegenheit erhalten, ihre Interessen vertreten zu lassen. Dies kann nicht nur für die Akzeptanz eines Schiedsspruchs von entscheidender Bedeutung sein, sondern auch für eine mögliche Vollstreckung des Schiedsspruchs in der Schweiz und im Ausland.

Die TEF Rules weisen den am Schiedsverfahren beteiligten Parteien die Verantwortung dafür zu, die Berechtigten Personen zu identifizieren und ihre Vertretung sicherzustellen. Insbesondere muss die Klägerin in der Notice of Arbitration eine Liste aller Berechtigten Personen, einschliesslich relevanter Angaben wie ihrem Bezug zu der Streitigkeit und ihren Kontaktinformationen, soweit vorhanden, angeben. Die Klägerin muss auch alle Berechtigten Personen benennen, die einer rechtlichen Vertretung bedürfen (z.B. Ungeborene, Minderjährige oder Personen, die aus anderen Gründen nicht handlungsfähig sind), und vorschlagen, wie solche Vertreter bestellt werden sollen. Die Beklagte muss dann in ihrer Answer to the Notice of Arbitration Stellung dazu nehmen.

Im Anschluss daran stellt das Sekretariat des Swiss Arbitration Centre die Notice of Arbitration und die Answer den von den Parteien benannten Berechtigten Personen zu. Die benachrichtigten Berechtigten Personen müssen dann entscheiden, ob sie am Schiedsverfahren als zusätzliche Partei oder in einer anderen Eigenschaft oder überhaupt nicht teilnehmen wollen.

Die Berechtigten Personen sind an die Vertraulichkeitsverpflichtungen von Artikel 44 der Swiss Rules gebunden.

Ernennung des Schiedsgerichts

Die Ernennung des Schiedsgerichts nach den TEF Rules folgt grundsätzlich dem Standardverfahren der Swiss Rules. Sofern die Schiedsvereinbarung oder die Einseitige Schiedsklausel die Ernennung nicht ausschliesslich dem Schiedsgerichtshof des Swiss Arbitration Centre (Schiedsgerichtshof) zuweist, haben die identifizierten Berechtigten Personen das Recht, zur Ernennung des Schiedsgerichts angehört zu werden. Dies gilt unabhängig davon, ob sich die Berechtigten Personen für eine Teilnahme am Verfahren entschieden haben. Wichtig ist, dass die blosse Äusserung zur Bestellung des Schiedsgerichts sie nicht zu einer Partei des Schiedsverfahrens macht.

Die Berechtigten Personen können sich unter anderem zur Anzahl der Schiedsrichter, zum Ernennungsverfahren, zu den Qualifikationen der Schiedsrichter, zur Person der Parteischiedsrichter und zu etwaigen Angaben über die in Frage kommenden Kandidaten äussern. Der Gerichtshof wird diese Anmerkungen oder Einwände bei der Ernennung der Schiedsrichter berücksichtigen und kann deren Ernennung ablehnen, wenn dies gerechtfertigt ist. 

Die Berechtigten Personen müssen besondere Anträge stellen, um Informationen über den Stand des Ernennungsverfahrens zu erhalten oder um Zugang zum einschlägigen Schriftverkehr zu erhalten.

Sind nicht alle Berechtigten Personen vertreten oder rechtfertigen es die Umstände, kann der Schiedsgerichtshof einige oder alle Mitglieder des Schiedsgerichts ernennen.

Anwendbares materielles Recht

Gemäss Artikel 35 der Swiss Rules entscheidet das Schiedsgericht die Streitigkeit durch Anwendung des von den Parteien vereinbarten Rechts oder, in Ermangelung einer Rechtswahl, durch Anwendung des Rechts, zu der die Streitigkeit den engsten Bezug aufweist.

Diese Regel kann in Nachlassangelegenheiten zu Spannungen führen, da spezifische Kollisionsnormen häufig zwingend sind und sowohl den Erblasser als auch die Erben bei der Wahl des für den Nachlass geltenden Rechts einschränken.

Um dieses potenzielle Problem zu lösen, schliesst Artikel 4 der TEF Rules Nachlassangelegenheiten vom Anwendungsbereich des Artikels 35 der Swiss Rules aus. Dementsprechend bestimmt sich das anwendbare materielle Recht nach den einschlägigen Kollisionsnormen, wie z. B. dem IPRG in der Schweiz. Es ist wichtig zu beachten, dass der relevante Anknüpfungspunkt für den Anwendungsbereich dieser Kollisionsnormen je nach Rechtsordnung unterschiedlich sein kann. So ist beispielsweise nach der EU-Erbrechtsverordnung der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers der entscheidende Anknüpfungspunkt, während nach den Bestimmungen des Schweizer Erbrechts der letzte (zivilrechtliche) Wohnsitz des Erblassers massgeblich ist. In einigen Rechtsordnungen können die Erblasser das auf ihren Nachlass anwendbare Recht auch durch eine gültige Rechtswahl bestimmen. Infolgedessen kann sich das anwendbare Recht von Fall zu Fall erheblich unterscheiden, und die Parteien sollten die einschlägigen Kollisionsnormen in jedem Fall sorgfältig prüfen.

Überlegungen bei der Formulierung Einseitiger Schiedsklauseln

Den TEF Rules sind Muster-Schiedsklauseln beigefügt, die auf die Verwendung in Testamenten, Erbverträgen, Trusturkunden und Stiftungsurkunden zugeschnitten sind. Diese Musterklauseln helfen den Verfassern bei der Erstellung eindeutiger Schiedsvereinbarungen und verringern das Risiko künftiger Streitigkeiten über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts oder die Vollstreckbarkeit eines Schiedsspruchs.

Muster-Schiedsklauseln helfen Verfassern bei der Erstellung wirksamer Schiedsvereinbarungen.

Allerdings sollten Parteien, die Einseitige Schiedsklauseln in ihre Rechtsinstrumente aufnehmen möchten, sich der möglichen Einschränkungen bewusst sein. Während die TEF Rules darauf abzielen, die Vertretung aller Berechtigten Personen zu gewährleisten, um die Vollstreckung von Schiedssprüchen zu erleichtern, kann ihre Anerkennung und Vollstreckung in bestimmten Rechtsordnungen immer noch auf rechtliche Hindernisse stossen. Insbesondere die sogenannten “Firewall”-Bestimmungen in vielen OffshoreTrust-Jurisdiktionen, mit denen lokale Trusts vor der Anwendung ausländischen Rechts geschützt werden sollen wenn diese im Widerspruch zum lokalen Trustrecht oder der öffentlichen Ordnung stehen, können Hindernisse für die Vollstreckung von Schiedssprüchen darstellen. Daher sollte bei der Abfassung Einseitiger Schiedsklauseln auf das anwendbare materielle Recht und das Schiedsrecht aller Rechtsordnungen geachtet werden, in denen die Vollstreckung möglicherweise angestrebt wird.

Ausblick

Mit dem Inkrafttreten der TEF Rules festigt die Schweiz ihre Position als führender Standort für die Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit Privatvermögen. Die Regeln sind speziell auf die besonderen Herausforderungen zugeschnitten, denen Familien, Trustees und Begünstigte gegenüberstehen, insbesondere die Komplexität von Verfahren, die mehrere Rechtsordnungen betreffen, die Notwendigkeit von Vertraulichkeit und die Bedeutung vollstreckbarer Entscheidungen. Es ist zu erwarten, dass die TEF Rules zu einer stärkeren Inanspruchnahme der Schiedsgerichtsbarkeit in Trust-, Nachlass- und Stiftungsangelegenheiten führen werden.

Unsere Private Wealth- und Arbitration-Teams bei Schellenberg Wittmer gestalten die Zukunft dieses Bereichs nicht nur durch ihre Arbeit im Swiss Arbitration Centre und bei STEP aktiv mit, sondern sind auch bereits in einer Reihe von Schiedsverfahren im Zusammenhang mit Privatvermögen tätig und haben in diesem Bereich ein umfangreiches Fachwissen entwickelt. Unsere Teams sind sowohl in der Rolle als Prozessbevollmächtigte als auch als Schiedsrichter mit den verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Aspekten dieser Streitigkeiten bestens vertraut. Wir gehen davon aus, dass die Zahl der Schiedsverfahren im Zusammenhang mit Privatvermögen in den kommenden Jahren stetig zunehmen wird, und sind bestrebt, unseren Mandanten auch in Zukunft kompetente Beratung und Vertretung zu bieten.

The content of this article is intended to provide a general guide to the subject matter. Specialist advice should be sought about your specific circumstances.

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